Dienstag, August 15, 2006

Kino: BRICK



”You better be sure you wanna know what you wanna know.”

Brick.
Tug.
Pin.
Poor Frisco.

Nur diese Wortfetzen hat Brendan (Joseph Gordon-Levitt) wehend des verzweifelten Hilferufs seiner Ex-Freundin aufgeschnappt. Sie ist in Schwierigkeiten und braucht seine Hilfe. Deswegen macht er sich auf die Suche nach ihr und versucht die vielen Mysterien zu lösen, die sich ihm in den Weg stellen. Der dunkle Weg führt durch die örtliche Drogenkommune, den Teenageradel und die dreckigsten Ecken der Stadt. Nur Brain (Matt O’Leary) unterstützt ihn, denn spätestens als ein Mordfall in Verbindung mit dem großen Puzzle steht, ist klar: Das wird kein Zuckerschlecken.

Verdutzt schaute ich immer wieder ins Programmheft, weil ich nicht fassen konnte was ich da sah: BRICK ist tatsächlich ein Regiedebüt, wirkt dabei aber perfekter und makelloser als neunzig Prozent der vergleichbaren Filme. Rian Johnson beweißt hier somit nicht nur sein enormes Talent, sondern auch die schier unendliche Liebe zum Medium Film. Jede einzelne Figur in seinem klassischen Film Noir Gewebe wird in Szene gesetzt als sei sie die Hauptfigur. Hier kommt ihm der erfrischende, junge Cast zu gute, für den sich Johnson am Ende entschieden hat. Joseph Gordon-Levitt ist seit seiner Rolle in TEN THINGS I HATE ABOUT YOU nicht mehr wieder zu erkennen und knüpft nahtlos an die zugegeben etwas bessere Performance im grandiosen MYSTERIOUS SKIN an. Ansonsten stechen vor allem Nora Zehetner (MAY) und Êmilie de Ravin (LOST, HILLS HAVE EYES 06) hervor. Beide geben ein ausdrucksstarkes Spiel zum Besten, behaupten sich zum einen als mysteriöse Schönheit und zum anderen als bedauernswerte Schlüsselfigur.

Wie ein schwarzes Loch frisst sich BRICK durch die Genre in denen er haust, um sie schließlich alle in sich zu vereinen. And anderer Stelle schnappte ich das Pseudonym „Eine-wie-10-American-Pies-die-ich-an-dir-hasse“ auf. Genau hieraus bezieht BRICK sein bis zum Maximum ausgereiztes Posieren, die vorgegaukelte Coolness oder die schrillen Gags. Auf der anderen Seite gibt es wiederum die Noiranleihen zu bestaunen: Vom Drogenbaron, der Femme Fatale, dem eigensinnigen Detektiv in bester Sherlock Holmes-Manier, der von seiner letzten Liebe geläutert wurde, bis hin zum Mastermind ist hier nahezu alles vertreten. Ebenso werden zahlreiche Klassiker zitiert und gehuldigt. Das mit anzusehen fordert den Zuschauer vielleicht nicht großartig, ebenso wenig erzählt Johnson’s Film uns etwas neues: Aber es macht verdammt noch mal einen Heiden Spaß sich von der ganz eigenen Atmosphäre, welche BRICK kreiert, aufsaugen zu lassen und wie in meinem Fall vor Begeisterung zu schreien.

Was zeichnet einen guten Film noch aus? Sein Script. Und hier merkt man ebenfalls: Der gute Mann hat Ahnung. BRICK kommt fast ohne Einleitung aus, knallt dem Zuschauer seine mysteriöse Detektivsuche vor den Latz und stellt ihn vor vollendete Tatsachen. Keine Zeit zum durchatmen, keine Pause. BRICK fliegt am Zuschauer vorüber, ehe wir uns versehen befinden wir uns schon im Abspann. Sicherlich, wer an dem Highschool Milieu nichts finden kann, wird es mit BRICK generell schwer haben. Denn so hängt man sich viel leichter an der Stilisierung und den obercoolen Charakteren auf. Doch der Reiz liegt im besagten Kontrast. Die Figuren agieren ernst, ohne Augenzwinkern. Was in SIN CITY mit der Manifestierung von Klischees begann wird hier in BRICK auf eine eigene Art und Weise fortgeführt. Wehrend ROMEO UND JULIA die Welten des Visuellen und des Akustischen noch sehr grob von einander getrennt wurden, verschmelzen diese Ebene hier vollends, ohne jedoch die erkennbare Schichtweise zu verlieren. Das Rian Johnson die Zusammenhänge zwischen der verblassten Welt des Film Noir und der heutigen Highschool erkennt und deutet, macht ihn für mich nur umso sympathischer. Die breite Masse geht für den Hauch von Erfolg über Leichen, aus reinherzigen Idealisten werden im Handumdrehen Außenseiter. Die Schule ist hier mal nicht der Platz an dem der Spaß regiert, sondern vielmehr der Inbegriff des schnellen Einstiegs in Kriminalität und Verbrechen, wie es früher noch die Straßen von Brooklyn darstellten. Wie wahr, denkt man da mal an die letzten Schuljahre zurück.

Was BRICK macht, macht er gut. Gerade weil es ihm mehr um den Kern des bedienten Genres geht, als um all die anderen Aspekte. Weder verkommt Johnson’s Film zum schwülstigen Kostümfilm, noch zur Parodie, welche jeglichen Inhalt aus verloren geglaubter Coolness bezieht. Nein, Johnson beweißt, dass die Arbeit mit den Noir-Codes unabhängig von Zeit und Ort funktioniert, der Blick hinter die Fassaden des Lebens aber dennoch nicht uninteressant bleiben muss. Mit dem Kuhglocken-Score im einen Ohr behaupte ich mal, BRICK sei ein verdammt cleveres und sehenswertes Stück Zelluloid, an dem ich nicht einen Punkt auszusetzen hatte. 10/10

6 Kommentare:

Rajko Burchardt hat gesagt…

Hm, das klingt wiederum so, wie ich es nicht erwartet hatte (siehe Markus' Blog). Dann werd ich ihn wohl doch noch schauen müssen ;-)

Lost in Imagination hat gesagt…

Ich denke es hat damit zu tun, was man sich unter Film Noir vorstellt. Bei mir hats das ganze packet ins schwarze getroffen.

Anonym hat gesagt…

also dann muss ich mir den film auch mal schnell anschauen, wenn du ihn schon so hoch lobst.......da haben wir uns ja schon drüber unterhalten. du kennst eben meinen geschmack timo!
grüße laura

Lost in Imagination hat gesagt…

lauri,
auf jeden Fall. Müsste genau dein Film sein. Würde auch mitgehen;-) DVD trudelt die Woche aber auch bei mir ein...

Scarlettfan hat gesagt…

Hm, ich fand BRICK bemüht. Nichts weiter. Ich empfand es als völlig deplatziert, ein kontemporäres High School Drama als Film Noir aufzuziehen und dabei auch noch so weit zu gehen, die Kiddies da betont altklug und schwermütig durch die Gegend tapsen und ihrem Alter nicht gemäße Dialoge aufsagen zu lassen. Mehr noch: Der gesamte Film spielt eindeutig am falschen Ort und auch noch in der falschen Dekade: Da werden Stimmungen geschaffen, die völlig deplatziert wirken. Fand BRICK einfach nur albern. Zumindest besitzt der Film etwas Selbstironie, was z. B. in der einen Szene mit dem Pin ersichtlich wird: Erst wird dieser Halbwüchsige seinem Alter nicht entsprechendend als großer, altersweise Gangster-Boss dargestellt und in der nächsten Szene sitzt er am Küchentisch seines Elternhauses und lässt sich von Mama mit Keksen und Milch bemuttern. Allerdings sind solche selbstironischen Momente zu selten, um "Brick" als Parodie oder Persiflage zu klassifizieren. Der Regisseur meint den Film wohl schon ernst.
Und da wird sich völlig berechnend und scheinbar zum bloßen Selbstzweck an Film Noir-Kennzeichen bedient a la: "Ich drehe jetzt mal einen Film Noir - just for the fuck of it."

Mein zweites großes Problem mit diesem Werk ist, dass die Story mir völlig am Arsch vorbei ging. Dachte mir die ganze Zeit über nur "Kennst du Wayne, Wayne Interesierts?" Verstärkt wurde dieses Gefühl besonders durch die hölzernen Wortwechsel zwischen Brandon und seinem Kumpel mit der Brille (wie auch immer der Heini hieß) - und mit hölzern meine ich wohlgemerkt "schlecht gemacht"-hölzern und nicht etwa "wahrhaftig schwermütig"-hölzern.

Lost in Imagination hat gesagt…

ich heul gleich, echt jetzt.

udn das an meinem Geburtstag... *lol*