Samstag, Juni 03, 2006

Kino: FLUG 93



Ich hätte nicht gedacht, dass man ein so brisantes und heikles Thema angemessen verfilmen kann. Die Angst war dann doch zu groß am Ende einen patriotischen, geldgeilen oder weichgespülten Film zu erhalten, der diese tragische Geschichte für eigene Zwecke ausschlachtet. (siehe Trailer zu Stone’s WORLD TRADE CENTER) Umso mehr überraschte es mich wie minimalistisch Greengrass hier vorgeht, die Tragödie an sich fokussiert und nicht in Sentimentalität oder Schwarz-Weiß Zeichnung untergeht. Es gibt hier keinen klassischen Bogen: Die Figuren werden nicht in Gut- und Böseschubladen gesteckt. FLUG 93 betrachtet die Ereignisse unheimlich realistisch, fast schon nüchtern. Die Handkamera unterstreicht dies zusätzlich.

Was mir besonders gut gefallen hat ist der Blickwinkel aus dem Greengrass auf die Ereignisse blickt. Er zeigt uns eine Welt vor dem 11. September, die für mich heute fast ungreifbar weit weg scheint. Eine Welt in der Terroranschläge, Al Qaida und die Angst vor diesen nicht an der Tagesordnung standen und bei weitem weniger einschüchternd wirkten wie heute. Das Greengrass auf Laiendarsteller setzt macht das den Film natürlich um ein Vielfaches zugänglicher. Man fühlt sich eingesaugt und im Klammergriff gehalten, kann sich dem Gezeigten kaum entziehen. Auf der Suche nach Unterhaltungskino verläuft man sich in FLUG 93 jedoch, ist es schließlich mehr die geschichtliche Aufarbeitung des Stoffes als Popcornkino.

Du siehst einen Araber auf der Straße und schaust ihn prüfend an. Jetzt, in genau diesem Augenblick wird dir bewusst was der 11. September eigentlich angerichtet hat. Er hat uns ein Stück weit die Unbefangenheit geraubt und uns stattdessen einen Mantel aus Einschüchterung und Vorurteilen auferlegt. Das zeigt FLUG 93 ganz deutlich: sobald wir nach neunzigminütigem Leidensweg der Passagiere das Kino verlassen, erinnern wir uns daran. Dieser Tag hat die Welt verändert. Seit diesem ist nichts mehr so wie es einmal war. Die Tränen welche ich am Ende in den Augen hatte waren nicht nur eine Huldigung an die Opfer. Nein, sie gebühren auch Paul Greengrass, denn er hat mir mit seinem schnörkellosen, minimalistischen Film ein Monument geschaffen. Ein Ort, auf Zelluloid gebannt, der dabei hilft uns zu erinnern. An die Opfer, jenen Tag, aber auch an die Tatsache das sich in unserer Welt noch sehr viel verändern muss.

Mögen ein paar filmische Aspekte wie der übermäßige Gebrauch von Handkameras oder ein paar wenige Längen für andere vertretbar bleiben (gerade die Kamera war nie passender), so erlebte ich mit FLUG 93 doch einen sehr intensiven, gefühlvollen Film den ich in dieser Form hier so nicht erwartet hätte. Danke. 8-9/10

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