Montag, Juni 19, 2006

DVD: IN HER SHOES


Doppelter Geschlechtsakt: Maggie Feller (Cameron Diaz) steht völlig betrunken in einer Toilette und schiebt eine Nummer mit einem alten Schulfreund, den sie auf dem heutigen Klassentreffen wieder gesehen hat. Rose Feller (Toni Collette) kiegt im Bett mit einem ihrer Kollegen, muss noch ein Beweißfoto schießen weil ihr sonst wohl keiner glauben würde was passiert ist, ganz zu schweigen von ihr selbst. Das sind die Feller Schwestern, das klassische Beispiel für „Ungleiche Geschwister“. Rose rennt den ganzen Tag herum, arbeitet viel und verplant ihre Freizeit mit beruflichen Dingen, Maggie liegt bei ihrer Schwester zuhause auf der Couch, ruiniert deren Schuhe und schläft schließlich sogar mit deren Lover. Das ist nun wirklich zuviel des Guten, weswegen Rose Maggie auch vor die Tür setzt, damit sie ihr Leben endlich einmal selbstständig ordnet und Rose selbst wieder ein eigenes hat.

So der Ausgangspunkt der Geschichte. Viele werden vermutlich die Stirn runzeln, hört sich das Ganze doch nach einer Überportion Kitsch und dem üblichen RomCom-Verfahren an. Regisseur Curtis Hanson (L.A. CONFIDENTIAL, 8 MILE) springt jedoch gekonnt über viele Klischeepfützen hinweg und lässt IN HER SHOES nie zu einem sentimentalen Einheitsbrei oder einer verblödeten Girl-Comedy verkommen.

In erster Linie trägt dazu wohl das erstklassige Ensemble bei. Dass Shirley MacLaine eine großartige Schauspielerin ist, muss man wohl keinem Freund des Films mehr erzählen. Blieb sie in ihrer eindimensionalen Rolle bei BEWICHED auch noch so blass, hier springt der Funken sofort über. Sie verkörperte die quirlige Großmutter Ella nicht nur glaubhaft, sondern gibt ihr auch noch eine ganz persönliche Note mit auf den Weg. Nicht wieder zu erkennen ist hingegen Cameron Diaz: Mit ihrer Verkörperung der im Teenageralter stecken gebliebenen Mittdreißigerin manövriert sie sich nicht nur aus der Blödelecke (CHARLY’S ANGELS, VERRÜCKT NACH MARY), sondern liefert uns ganz spontan auch noch die beste Performance ihrer Karriere (zusammen mit VANILLA SKY). Ebenso kann auch Toni Collette in allen Belangen punkten, bleibt sie schließlich der Sympathieträger des gesamten Films, weil ihre Rolle in Zusammenhang mit ihrer Darbietung einfach unheimlich menschlich, real und nachvollziehbar bleibt. Selbst Mark Feuerstein hinterlässt in der Rolle des festen Freundes von Rose Feller keinen faden Beigeschmack. Was zuerst aussieht, wie eine Genretypische Bekehrung in Sachen Leben, wird unglaublich unaufdringlich vorgeführt und wirkt zu keiner Zeit lächerlich oder überhastet.

Curtis Hanson erfindet mit IN HER SHOES das Rad sicherlich nicht neu. Aber er zeigt uns wie viel man aus diesem Situationspool herausholen kann. Mit den Schuhen als Metapher für die jeweiligen Lebenswege der Schwestern liefert er ein unscheinbares, kraftvolles Perlchen der Tragik-Komödie ab. Hanson schickt Maggie zu ihrer Großmutter in eine Art Asyl, indem sie ihre Vergangenheit verarbeiten kann und den missglückten Versuch erwachsen zu werden wiederholen kann. Als sehr schön empfand ich hier die Symbolik: Maggies Selbstbewusstsein, welches ein Stück weit auch auf ihre Kleidung zurückgeht, ist sozusagen von ihrer Schwester abhängig. Erst sie macht ihr Erscheinungsbild komplett, indem sie unbewusst ihre Schuhe beisteuert. Als damit Schluss ist fängt Maggie wieder im Teenageralter an, trägt bei der Ankunft des Zuges ausgelatschte Converse, die Zeiten von Prada und Cho sind vorbei. Frei nach dem Prinzip „Kleider machen Leute“ begehen die zwei Schwestern auf diese Weise eine Gradwanderung, welche beide am Ende als geschliffene Edelsteine bzw. vollendete Individuen entlässt.

Sie können nicht mit, aber auch nicht ohne einander. Wo die Ursachen und die Lösung für dieses Probleme liegen, zeigt sich in genau der Szene, als Rose das erste Mal auf ihre Großmutter trifft. Maggie hat wahnsinnige Angst nun ihren Stellenwert im Leben der Großmutter einzubüßen, ebenso wie Rose Angst davor hat das ihr Verlobter die quirlige Schwester nicht mögen könnte (Genialer Gedankengang in dieser Szene). Wie es auch im Film an einer Stelle heißt: Ohne sie bin ich nicht komplett. Auch deswegen gehen am Ende beide ein Wagnis ein. Nur wenn untereinander Harmonie herrscht, kann auch der Rest geordnet ablaufen.

IN HER SHOES ist einer dieser Filme, in denen man pausenlos „Toll!“, „Wunderbar“ oder „Klasse!“ schreien könnte. Der Film wirkt erfrischend locker und leicht, ist zu keinem Zeitpunkt aufdringlich oder Gefühlsdusselig. Wenn man etwas kritisieren möchte, dann wohl das sich das Geflecht zum Ende hin etwas auflöst, vielleicht doch eins, zweimal etwas ruhrselig anmutet. Aber ansonsten ist IN HER SHOES ein großartiger Film, der es versteht seine Figuren so vorzustellen, dass der Zuschauer sie ganz schnell ins Herz schließt. Schaut man sich Genrekollegen an, die der Markt zur Zeit bietet, ist IN HER SHOES wahrhaftig ein König. 8-9/10

4 Kommentare:

Rajko Burchardt hat gesagt…

Hm ... Vorteil: Toni Collette, Nachteil: Cameron Diaz, die ich wirklich garnicht mag. Da du aber recht überschwinglich bist, werd ich mich mal rantasten. Aber wehe, ich finde den nicht auch so gut ;)

Lost in Imagination hat gesagt…

Vega,
möchte fast behaupten das IN HER SHOES einer dieser Filme ist, denen man sich nur schwerlich entziehen kann. Einfach anschauen, nicht allzuviel erwarten und verzaubern lassen: Selbst von Diaz. ;-)

Anonym hat gesagt…

hi timolein!
also nachdem ich jetzt die kritik gelesen hab müssen wir den film schnellstens zusammen schauen......du hast den film so angepriesen, dass ich ihn schnellstens schauen muss auch wenn ich nicht unbedingt der größte fan von c. diaz bin...wie du vielleicht weißt.naja bis denne....laura

Lost in Imagination hat gesagt…

Kausalein,

ich garantiere dir: Ein Film nach deinem Geschmack! Und Cameron Diaz war nie besser, denn hier tut sie richtig schauspielern. *g*

Schau ihn mir gerne nochmal an. ;-)