Donnerstag, März 02, 2006

"Rohtenburg" - Fetish


Achtung, Im Text wird über den Inhalt des Films gesprochen!

Mal ehrlich: Es war doch nur eine Frage der Zeit bis der Stoff zu den Taten des Armin Meiwes verfilmt wird. Die schlimmsten Geschichten schreibt bekanntlich das Leben selbst, so ist es auch bei „Rohtenburg“. Ob man das was hier so passiert sehen will, sollte jeder für sich selbst entscheiden. Fakt ist aber, dass Regisseur Martin Weisz und Drehbuchautor T.S. Faull hier selbst ein kleines Verbrechen begangen haben. Ihr filmisches Debakel wirkt wie Kannibalismus am Zuschauer.

Wie macht man denn nun einen Film aus der Thematik? Man stelle sich das so vor: Keri Russel (Upside of Anger !) ist eine begabte Studentin. Sie will ihre Abschlussarbeit dem Kannibalen Oliver Hartwin (Armin Meiwes, gespielt von Thomas Kretschmann) und seinem Opfer (Thomas Huber) widmen. Deswegen geht sie der Sache auf den Grund, dringt sogar bis zur Villa des Kannibalen vor. Mal abgesehen davon das der gesamte (!) Handlungsstrang um Keri Russel nicht nur total bescheuert und überflüssig ist, stellen sich bei jedem logischen Aspekt im Film die Nackenhaare auf. Eine dumme Pute, gerade aus Amerika gekommen, spielt Sherlock Holmes. Es ist für sie kein Problem in das Haus von Hartwin einzudringen, nein, sie schläft dort auch noch ein. Sie gibt bei „Google“ das Wort –KANNIBALEN CHAT- ein, findet auf dem ersten Link eine Person welche das vollständige Video der Gräueltat besitzt, in ihrem unmittelbaren Umfeld wohnt und es ihr am selben Abend vor die Tür legt. Hallo? Geht’s noch? Für wie bescheuert hält man den eigenen Zuschauer hier denn bitte? Keine Ahnung wieso sich Keri Russel für einen solchen Schund hergegeben hat. Wenn man sie sieht, ist sie hier entweder halb nackt oder sie stolziert mit tonnenweise Make Up über die Straßen irgendwelcher deutschen Provinzdörfer. Nie zuvor kam mir eine Darstellerin so deplaziert vor. Jede Szene mit ihr wirkt unnormal oder gestellt. Einziger Zweck der Sache: Sie soll Realität und Vergangenheit zusammenhalten, die einzelnen Tatbestände miteinander verbinden. Daran scheitert nicht unbedingt Russel, die wie ein Dior-Model auf einer Aftershowparty aussieht und so zumindest optisch anspricht, „Rohtenburg“ aber alle Male. Das Sahnehäubchen bekommen wir serviert als Russel völlig aufgelöst das Videoband zerreißt und anfängt zu weinen. Was hat die gute Frau denn nach all ihren Ermittlungen erwartet? Anscheinend ein lustiges Heimvideo.

Der Film besteht im Grunde nur aus zusammengefilmten Fakten, die jeder Mensch wochenlang in den Medien begutachten konnte. Sonst bietet uns „Rohtenburg“ herzlich wenig. Er verkauft sich selbst als Dokuthriller & Charakterdrama, meines Erachtens kratzt der Film jedoch nicht einmal an solchen Kategorien. Was genau im Opfer Simon Grombek vorgeht, warum er diesen Drang verspürt gegessen zu werden oder was letzten Endes der Auslöser in Oliver Hartwin war, bleibt unbeantwortet, wird nicht einmal angeschnitten. Stattdessen zieht T.S. Faull seine Hauptiguren durch jedes erdenkliche Klischee: Beide haben eine schlimme Kindheit hinter sich, sind homosexuell und kommen damit nicht klar, haben Wahnvorstellungen, bla bla blubb. Was in Gus van Sant’s „Elephant“ schon ausgereizt wurde, wird hier bei weitem übertroffen.

Die Dialoge sind hölzern und platt. Jedes gesprochene Wort in „Rohtenburg“ ist eine Zumutung und kann zu keinem Zeitpunkt ernst genommen werden. Das gesamte Drehbuch weißt so viele Lücken und Schwächen auf, dass der Film zu keiner Zeit das Niveau des großen Sat.1 Films übersteigt. Was aber macht dieser Mist im Kino? Außer das man für das Breittreten einer so medienwirksamen Geschichte ordentlich kassieren dürfte, fällt mir spontan nichts ein. Eine Sache habe ich jedoch gefunden, die mir an „Rohtenburg“ gefallen hat. Es ist der künstlerische Look des Films. Jedes Set ist auf Hochglanz poliert und optisch hochgestylt. Da kommt in Weisz dann doch der Videoclipregisseur durch, welcher er besser geblieben wäre.

Das neben Russel auch Kretschmann vollkommen versagt muss ich gar nicht weiter erwähnen, oder? Die Rolle unseres Hollywood-Imports Nummero Uno ist ja auch so blass und facettenlos gestaltet, dass wohl keiner mehr als bedeutungsschwangere Blicke hinbekommen hätte. Apropos bedeutungsschwanger: Wer ist eigentlich auf die dämliche Idee gekommen dem Zuschauer pausenlos Keri Russels Off-Kommentare um die Ohren zu hauen? DAS, war nun wirklich mit das schrecklichste am ganzen debilen Filmchen. Schließlich sind sie alle so undezent verpackt das sie dem Zuschauer nach 5 Minuten tierisch auf die Nerven gehen. Ob man diese pseudopoetischen Reime gegoogelt oder aus einem Zitatereklam abgeschrieben hat, spielt hier dann auch keine Rolle mehr.

Hat man die filmischen Mängel überwunden und will sich denn Film trotzdem ansehen, sollte man sich selbst noch einmal ins Gewissen reden. Was uns „Rohtenburg“ vorsetzt ist ziemlich starker Tobak. Selbst, wenn in den entscheidenden Szenen meist nicht einmal viel zu sehen ist, schlug der Film sogar mir als altem Gore-Bauern aufs Gemüt. Gerade WEIL vieles nur angedeutet wird passiert im Kopf meist viel mehr als auf der Leinwand. Es sind ein paar Szenen auf die ich liebend gerne verzichtet hätte. Wer also schwache Nerven besitzt, sollte um diesen Film ebenfalls einen Bogen machen. Man sollte selbst wissen was man sehen kann, was man sehen will und was nicht. Ich habe für mich entschieden das „Rothenburg“ ein Film ist, der die Grenze des Geschmacks übersteigt, selbst wenn die Fakten so erzählt wurden wie sie geschehen sind. Ist aber auch nicht sonderlich wichtig. Weil der Film inhaltlich rein gar nichts zu bieten hat und auch nahe zu jeden interessanten Aspekt ausläst, kann man in Betracht der formalen Relevanz „Rohtenburg“s getrost von einer filmischen Katastrophe sprechen. 1/10

5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Sehr informativ..
Die paar Euro für's Kino kann man also sparen. Und meine Vermutung hat sich auch bestätigt, dass der Film plumt werden würde, von der Aufmachung aber eingentlich gar nicht schecht ist ( siehe die wirklich genial gestaltete rohtenburg.de Homepage ).

Lost in Imagination hat gesagt…

Ja, es ist nicht einmal unbedingt die sehr krasse Thematik des FIlms, die alles zerstört. Ganz sicher aber die schlechte, einfalls-und lieblose Inszenierung. Die Storyfragmente werden aneinander geklatscht, am Ende hat der Film nicht einmal eine Aussage. Dieses Stück Zelluloid hat diese mordsmäßige Publicity eigentlich gar nicht verdient.

Anonym hat gesagt…

Die paar Euro für's Kino muss man sich wohl auch insofern sparen, als ein Gericht ja jetzt in letzter Sekunde die Filmauswertung untersagt hat, da "Rothenburg" offenbar die Persönlichkeitsrechte von Meiwes verletzt.

Anonym hat gesagt…

...warum gehst du eigentlich in so einen Film vengeance, wenn Du ja offensichtlich überhaupt keinen Bock auf solche Sachen hast...
...also dass Hollywood nicht einen künstlerisch hochwertigen Programmfilm aus der Thematik macht, war ja wohl vorher klar!
Und welche Aussage erwartest Du bitte von so nem Film?

Lost in Imagination hat gesagt…

Ganz einfach: Hatte den Film in einer Sneak Preview gesehen. Hätte mir den Film aber trotzdem angeschaut, da man aus diesem Thema eine Menge hätte machen Können. Hat man aber nicht. ROHTENBURG ist billig, langweilig und abstoßend ...wenn nicht gerade sau doof. Scher mal nicht ganz Hollywood über einen Kamm. Der werte Regisseur wollte nur sehr schnell, sehr viel Geld aus der Geschichte holen. Das merkt man diesem Film auch in jeder Szene an.