Dienstag, März 13, 2007

Kino: TIME (Shi gan)

Ji-woo(Jung-woo Ha) und Seh-hee (Ji-Yeon Park, SEOUL RIDERS) befinden sich in einer Beziehungskrise. Seh-hee denkt, dass die Gewohnheit sich eingeschlichen hat und dass ihr Gatte sie nicht mehr begehrenswert findet. Sie glaubt, er würde selbst beim Sex an andere Frauen denken, was sie schließlich zu einem folgenschweren Schritt bewegt: Sie beendet die Beziehung, lässt sich bei einem Chirurgen das Gesicht verändern und stellt Ji-woo ein paar Monate später nach. (Gespielt von Hyeon-a Seong, THE COSTOMER IS ALWAYS RIGHT, CELLO, SCARLET LETTER) Ihr Ziel ist ein Selbstbeweis, nämlich das Liebe unabhängig von Hüllen und Fassaden funktioniert. Schnell wird ihr gefährliches Spiel zum Selbstläufer und öffnet Kim Ki-Duk somit die Bühne für eine erschütternde & herzzerreißende Geschichte über die Vergänglichkeit von allem auf unserer Welt.

Viel zu oft musste man lesen, Ki-Duk würde hier nur ein krudes Bild des heutigen Schönheitswahns zeichnen, dem Drang nach immer mehr Operationen um sein eigentliches Ich zu verschleiern. Das muss man jedoch heftigst dementieren. Der Schlussmonolog aus Gaspar Noe’s IRREVERSIBEL bringt die Thematik von TIME auf den Punkt. „Die Zeit zerstört alles.“ Genau das zeigt uns der Koreaner in seinem dreizehnten Film auf deprimierende, teilweise sogar verstörende Art und Weise.

Bei TIME handelt es sich, was die Grundstimmung angeht, einmal mehr um eine Mischung aus SAMARIA und BIN JIP. Im Grunde genommen ist der angeschlagene Ton sehr depressiv und hoffnungslos. Immer wieder aber fliehen die Hauptcharaktere aus dieser grauen Dunstglocke und erstrahlen für einen Moment im hellen Schein aus Erinnerungen und unerfüllten Wünschen, nur um später noch ein Stück weit tiefer in den Abgrund zu stürzen. Hier kann Ki-Duk voll und ganz auf seinen superben Cast vertrauen. Hyeon-a Seong erinnert emotionstechnisch oft an eine junge Gong Li. Ihre Darstellung bietet die volle Palette an Emotionen und Facetten. Jung-woo Ha macht seine Sache ebenfalls gut, stinkt gegen seine weibliche Kollegin aber ein wenig ab. Sehr passend gewählt wurden auch die langsamen, fast schwebenden Kamerafahrten. Sie unterstützen den Fluss des Films maßgeblich. Für Kim-Fans hat der Meister ein paar nette Zitate versteckt. So hängt in Ji-woo’s Wohnung z.B. ein Poster von WILD ANIMALS, er selbst arbeitet als Cutter und schneidet ebenfalls einen von Ki-Duk’s Filmen.

Mit jeder laufenden Filmminute dreht sich die kleine Geschichte immer mehr in den Abgrund. TIME macht uns bewusst, dass die Zeit wie ein riesiger Mörser alles unter sich zerstört. Die Raffinesse in Kim’s Kammerspiel liegt aber eher darin, Zuschauer und Charaktere gleichermaßen mit dieser Tatsache bekannt zu machen. See-hee gibt ihre leicht angeknackste Beziehung einfach so auf, womit sie die Maschinerie des Unvermeidlichen natürlich erst in Gang setzt. Deswegen ist sie dazu verdammt ein Leben in Ungewissheit zu führen und sich ständig die Frage zu stellen: „Was wäre wenn…“ Am Ende schließt sich der Kreis.

Es sind lediglich kleine Momente in denen "eine Art" mediterranes Feeling aufkommt, wie in FRÜHLING SOMMER... oder BIN JIP. TIME reiht sich einfach in die kimsche Filmographie ein - BAD GUY, SAMARIA, COAST GUARD, THE BOW, BIRDCAGE INN, FEAL FICTION, SEOM - und schließlich TIME. Abermals die Geschichte einer geplagten und gefolterten Seele. Aber wie es bei den meisten seiner Filme ist: Es funktioniert einfach, weil es bis auf ein sehr dünnes Grundgerüst doch wieder etwas gänzlich anderes ist. Für mich ist TIME vor allem eines: Eine kurze Geschichte über die Zeit, Vergänglichkeit und das Sterben. Kim zeigt mir wie wichtig es ist sich zu entwickeln, nicht aber jeden Tag neu zu definieren. Das diese Bereitschaft zur gemeinsamen Veränderung zwingend notwendig in einer intakten Beziehung ist und dass unsere Gesellschaft immer wieder versucht gewisse Phasen in diesem Zyklus zu umgehen, aus welchen Gründen auch immer. Hier ist die Frau einfach ungeduldig, will das wieder alles perfekt ist und das so schnell wie möglich. Sie kämpft gegen die Zeit, die Reife die jede Beziehung braucht an und versucht durch moderne Technik diesen Prozess zu umwandern. Sehr perfide und gelungen in dem Zusammenhang ist auch das die gute Frau sich am Ende selbst im Wege steht. Wie das gemeint ist, verrate ich jetzt natürlich nicht...

Also noch einmal: Was gibt mir der Film?

Auf der einen Seite die Gewissheit das Zeit ein Faktor ist, der sich nicht umgehen lässt. Zu keinem Preis. Zum anderen das Gefühl das dies nichts Schlimmes ist. Das Gefühl welches ich vom Film mit nachhause nahm kommt in etwa dem von THE FOUNTAIN gleich. Es ist okay zu sterben, weil dies eine natürliche Prozedur ist. Und wenn man das begriffen hat ist es viel leichter deinen Weg zu gehen und zu leben. Diese geforderte Akzeptanz bringt TIME auch mit sich, nur eben im Bezug auf Zeit bzw. Vergänglichkeit. Die Aufgabe einer Beziehung wird ja oft dem Sterben gleichgesetzt. (rein intuitiv)

8-9/10

Keine Kommentare: