Donnerstag, April 13, 2006

"Running Scared" - Sympathy for Mr. Gazelle


”For those regarded as warriors, when engaged in combat the vanquishing of thine enemy can be the warrior's only concern. Suppress all human emotion and compassion. Kill whoever stands in thy way, even if that be Lord God, or Buddha himself. This truth lies at the heart of the art of combat.”
KILL BILL

Es gibt immer eine Grenze, auf deren Grad man zwischen dem was man als Gut empfindet und dem was man als Schlecht bezeichnet wandelt. Bei RUNNING SCARED hatte ich zum ersten Mal das Gefühl diese Linie nie entdeckt zuhaben. Regisseur Wayne Kramer (THE COOLER) wütet wie nur selten ein Buffalo Bill gewütet hat. Sein blau gefiltertes Etwas bewegt sich auf Breitengraden jenseits des guten Geschmacks, kleidet sich auf seinem Weg mit so ziemlich jedem Negativ-Kriterium des Mediums Film, sodass höchstens der Zuschauer am Ende ängstlich aus dem Kinosaal rennt.


Joey Gazelle (Paul Walker) ist wohl das was man in Mafiakreisen einen „Cleaner“ nennt. Seine Aufgabe besteht darin, Mordwaffen auf diskretem Wege verschwinden zu lassen und so den großen Fischen der örtlichen Mafia den Rücken freizuhalten. Zu blöd das Sohn Nicky (Alex Neuberger) und sein bester Freund Oleg (Cameron Bright) beim spielen auf die Waffen stoßen. Als die Situation in Olegs Elternhaus mal wieder kollabiert, holt er sich eine der Waffen und schießt auf seinen Vater. Mit dieser Tat und seiner Flucht bringt Oleg jedoch nicht nur sich selbst in Schwierigkeiten. Vor allem ist es Joey Gazelle der nun schnellst möglich die Tatwaffe zurückbekommen muss, bevor seine Mafia-Freunde Wind von der Sache bekommen. Die Nacht hat begonnen, der Wettlauf ebenso.

Das klingt ja erst einmal nicht so schlecht, schwimmt RUNNING SCARED doch rein optisch auf einer Welle mit Richi’s REVOLVER oder dem LAYER CAKE. Die Einfälle sind da, haben mich bis zu einer gewissen Abnutzung und der 5. Slow-Motion einer abgefeuerten Kugel auch wirklich beeindruckt, weil ich diese technischen Spielereien hier nicht erwartet hätte. Doch wie gesagt, auch das findet man irgendwann nicht mehr so richtig interessant wenn es zu oft vorgesetzt bekommt. Zumal diese optischen Einfälle oft nicht einmal irgendeinen Sinn ergeben, sondern hohl im Raum stehen, nur des Effektes wegen. Da störten mich die blauen Farbfilter und die Wackelkamera in einigen Szenen wesendlich weniger, weil sie wenigstens einen stilistischen Zweck erfüllen.


Viel schlimmer ist das RUNNING SCARED so unheimlich dumm ist. Wer hier nach einem Funken Logik sucht, ist fehl am Platz. Das gilt leider in vielerlei Hinsicht: Damit Kramers billiges Konstrukt am Ende auch aufgeht und wieder einmal alle Beteiligten aufeinander treffen, muss der Zuschauer massiv darunter leiden indem er unzumutbare Handlungsabläufe vor den Latz geknallt bekommt. So schleift Paul Walker auf der Suche nach Oleg auch immer seinen eigenen Sohn mit, gefährdet dessen Leben ohne dass dieser ihm auch nur ansatzweise eine Hilfe wäre. Dies macht er nur aus einem Grund: Damit er an den entsprechenden Story-Abschnitten auch am rechten Fleck ist um wieder eine andere abstruse Handlung in Gang zusetzen. Der Zuschauer, clever oder nicht, entlarvt das billige Spiel spätestens nach der 5. wackeligen Szene: Alles dient nur der Erfüllung des Konstrukts. Und das auf so dilettantische Weise das sogar Uwe Boll nicht hätte mithalten können. Paul Haggis’ CRASH war ebenfalls konstruiert, und das darf ein Film auch unter Umständen sein, jedoch nicht in solch massivem Maße. Je länger der Film läuft, desto schlimmer wird es. Und das trifft auch in Punkto Effekthascherei zu. An jeder Ecke haut RUNNING SCARED irgendeinen Nonsens raus, welcher einfach so im Raum steht, weil er vielleicht ganz nett aussieht oder gerade besonders cool wirkt, aber rein GAR NICHTS mit dem Film oder der Handlung oder sonst wem zu tun hat. Was zum Beispiel sollte dieses Freddy Krüger Cameo? Sorry, aber in solchen Momenten fühle ich mich arg verarscht, weil dieser Rohrkrepierer mir wieder einmal mehr verspricht als er einhalten kann oder will.

Mir graut es jetzt schon davor zu lesen, RUNNING SCARED würde so clever Zitate der Filmgeschichte verarbeiten. Das tut Kramers Film sehr wohl, jedoch auf eine charmelose und dreckige Art & Weise. Spätestens der Western-Klamauk auf dem Eishockeyfeld wirkt einfach nur – lächerlich. Der erhöhte Gewaltanteil hingegen ist mir nicht aufgestoßen. Es wäre sehr schön gewesen endlich mal wieder einen halbwegs raffinierten Oldschool-Actionreißer zu sehen, doch davon ist RUNNING SCARED meilenweit entfernt. Seine verblödeten Charaktere wandeln nicht nur einmal auf den Pfaden von BAD BOYS 2, was sich im letzten Drittel noch verstärkter zeigt. Dann setzen auch noch ein maroder Plottwist, peinlicher Patriotismus und familiärer Fanatismus ein, was zum Glück neben der schieren Unlogik nicht groß ins Gewicht fallen, da Kramer bis hierhin schon versemmelt hat, was man versemmeln konnte. Das alles präsentiert er uns bierernst und trocken wie einen Eimer Sand. Hatte ich es schon gesagt? Das ist lächerlich.


Nein nicht einmal schauspielerisch kann RUNNING SCARED groß etwas reißen. Paul Walker schafft nicht zu vermitteln, was seine Figur angeblich ausmacht. Selten habe ich einen Darsteller gesehen, der beim Versuch wütend zu wirken so verkrampft und angestrengt wirkte. Seine Ghettomentalität (3 Tage-Bart, leicht gebückter Gang und häufiger Gebrauch des F-Wortes = Bad Boy) nimmt man ihm dann erst recht nicht ab. 2 kleine Lichtblicke gibt es hier dannzum Glück doch noch: Jungdarsteller Cameron Bright (Birth) bietet noch das breiteste Spektrum, ebenso Joeys Ehefrau Vera Farmiga (bald zu sehen in THE DEPARTED), welche zur spannendsten und atmosphärischsten Szene des Films beiträgt. Und diese eine Szene sticht auch vollkommen aus dem grauen Muster des Films heraus, lässt man mal die kurze Puk-Szene außer Acht. Es ist die komplette Szene im Haus der „Kinderfreunde“, die nicht nur 1A in Szene gesetzt wurde, sondern auch mit Abstand zu den spannendsten gehört, die ich seit langer Zeit gesehen habe.

Unterm Strich sieht es dann sehr düster aus. RUNNING SCARED bietet eine nette Optik und teilweise sehr gelungene Einzelszenen, dann schnürt sich der Sack aber auch schon zu. Ich war gewillt mich vom ihm berieseln zu lassen, doch wenn ein Film mich pausenlos für Dumm verkauft und mir in nahezu jeder 2. Szene das Prädikat „I’m spezial“ entgegen springt, habe auch ich irgendwann die Schnauze voll. Schon lustig das der Kartenverkäufer zu mir meinte: „Naja, ist halt n’ Film der zum heutigen Publikum passt..“. Will der Film mir also aufzeigen das unser modernes Kinopublikum zum Großteil aus Zombies besteht? In 122 Minuten hat man ja Genug Zeit um darüber nachzudenken. 2/10

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

also timo, da ich RUNNING SCARED ja mit dir zusammen gesehen habe und wir 100% die gleiche meinung haben, muss ich sagen, dass deine kritik einfach wunderbar ist.......sie ist spannender und unterhaltender als der ganze film.............naja hatten auf jeden fall mal wieder ein morz spaß im kino mit aufregern und lachern..respekt für deine einzigartige art dich auszudrücken......knutsch dich

Lost in Imagination hat gesagt…

Ich danke dir Laura :-)

Ja da hast du recht, selten so einen Spaß gehabt wehrend ich mir so einen Müll anschauen musste. Unsere Gag-Dichte hätte sogar einen Scary Movie-Teil blass aussehen lassen. Besonders schön unsere Mutmaßungen zum peinlichen Ende (Patriotismus pur):

"Tue es für Amerika mein Sohn"

Fühl dich gedrückt !

Anonym hat gesagt…

Deine Kritik liest sich so als hättest du einen regelrechten Hass auf den Film entwickelt, welcher sich während deinem Review noch weiter ins extreme steigert, deswegen liest es sich etwas eintönig. Mir gefiel der Film übrigens ;-)

Lost in Imagination hat gesagt…

Wobei man offenkundig sagen muss das der Film einfach wahnsinnig schlecht IST. Ich kann mir vorstellen das Gwaltjunkies oder Liebhaber dieser Katz und Maus-Thriller Spaß daran finden können, insgesamt halte ich RUNNING SCARED aber für sehr bedenklich (nenne da nur mal wie Selbstjustiznummer die der Film ganz offen im Raum stehen lässt). Und hier liegt das nicht daran das der FIlm einfach nicht mein Ding war, Potential hat er alle Mal. Er wirkt eben nur in nahe zu jeder Einstellung lächerlich.

Danke aber für den Tipp, sollte mich vielleicht erst einmal abkühlen bevor ich an Verrisse gehe. Scheint sich ja doch sehr auf den Text übertragen zu haben.