Sonntag, Februar 19, 2006
"Junebug" - Vorsicht , Kulturschock !
"God loves you just the way you are. But He loves you too much to let you stay that way."
Bei einer Kunstausstellung lernen sich George (Alessandro Nivola) und Madeleine (Embeth Davidtz) kennen. Sie merken schnell es ist die Große Liebe und heiraten. Madeleine will für ihre Kunstgalerie einen sehr speziellen Künstler engagieren, der aus Amerikas tiefster Einöde stammt. George will diese Möglichkeit nutzen um ganz in der Nähe seine Familie zu besuchen. Und so kommt es zur typischen Begegnung zwischen Landei und Großstadtlady.
Zugegeben, „Typisch“ ist das Wort das auf JUNEBUG am wenigsten zutrifft. Durch die konventionelle Geschichte finden sich zahlreiche Fettnäpfchen in die es zu treten gilt. Doch auf wirklich charmante Art und Weise tänzelt JUNEBUG um jedes einzelne herum. So sieht z.B. die Mutter aus wie das klassische Landei, reagiert aber völlig anders als man es von ihr erwartet. Ebenso denkt man die Danksagungsszene zu durchschauen und will sich schon die Ohren zu halten als auf einmal genau das einritt, dass man nie und nimmer erwartet hätte. Phil Morrison’s Film schafft es so wenigstens seine Zuschauer zu überraschen. Leider wandelt JUNEBUG oft auf so banalen, liberalen und eintönigen Pfaden das ich das ein oder andere Mal schon lauthals gähnen musste.
Was dem Film fehlt ist „Flow“. Alles tümpelt mehr oder weniger auf das Finale hin, ohne den Zuschauer wirklich an sich zubinden. Zum Glück gibt es da ein paar Darsteller die es schaffen rege Sympathie zu wecken. Das ist natürlich vor allen anderen Amy Adams, die liebenswerteste Southern Barbie der Filmgeschichte. Es ist eine Rolle die so unglaublich schnell zu dem bekannten 08/18-Muster mutiert. Doch Adams erfüllt diese schrille, hibbelige Person mit so viel Liebe das kein Zuschauer auch nur eine Sekunde böse mit ihr sein kann. Auch Alessandro Nivola und Benjamin McKenzie erfüllen die angestrebte Leistung, überraschen uns aber zu keinem Zeitpunk mir mit wirklich hervorragendem Acting. Die größten Probleme hatte ich hier unverständlicher Weise mit Embeth Davidtz. Einerseits schafft sie es charmant aus jedem Klischee zu springen, anderseits wirkt die Frau teilweise so interessant und inspiriert wie eingeschlafene Füße. Teilweise kam es mir vor als würde Ashley Judd auf dem Bildschirm umher springen.
JUNEBUG bietet uns dafür etwas anderes sehr interessantes: Geborgenheit. Den Zuschauer umgibt ein sehr familiäres Gefühl, man fühlt sich richtig wohl. Trotz des ein oder anderen Konflikts sind wir mit der Gemeinschaft verbunden. Eine wirklich nette Sache. Für mich war der größte Vorzug in Morrison’s Film jedoch die Kunst in der Kunst. JUNEBUG kam mir vor wie eine Ansammlung von Postkarten und Familienfotos. Viele Szenen entspringen einer Fotographie oder enden in eben solch einer. Es scheint als blättern wir im Album der Familie und lassen uns von ihm die Geschichte dieses einen Sommers erzählen. Deswegen kann ich dem Film für seinen Look auch kein Vorwurf machen, eher ein Kompliment. Wäre JUNEBUG nur stellenweise nicht so glatt und eintönig erzählt. Das nimmt dem Reiz wieder eine ganze Ecke. Mir erging es wie folgt: Ich mochte die Figuren, obgleich mir ihr Werdegang mehr oder weniger egal war. Einzig und allein Amy Adams schaffte es mich bis zur letzten Szene so einzulullen das ich wirklich mit ihr gefiebert habe.
Immerhin bietet JUNEBUG eine Vielzahl an skurrilen Momenten und fabelhaften Einzelszenen. Ich denke nur zu gerne an jene, in der Ashley ihre Geschenke auspackt oder an den wunderbaren Aufenthalt in der Geschirrfabrik. So ist bleibt JUNEBUG trotz einiger Kritikpunkte ein gelungener Film, der bei mir jedoch nicht über ein „Nett“ hinauskommt. Vielleicht lag es an den Erwartungen durch zahlreiche Freudentänze, vielleicht auch einfach nur am Film selbst, der nie vorgegeben hat mehr zu sein als er unterm Strich ist. Man sollte dem Film vielleicht eine 2. Chance geben. So bleibt es ein netter bis guter Film, mit einer Option auf mehr. 6-7/10
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6 Kommentare:
Merci für diese Besprechung. Hab schon von "junebug" gehört. Dein Text klingt so, als müsse man den Film nicht ubedingt sehen. Gut zu wissen.
richtig. Der Überbringer ist es tatsächlich nicht. Jeder amerikanische Kritiker lobt JUNEBUG in den Himmel, für Rogger Ebert war es sogar der beste Film (oder war es der 2. oder 3.???) des jahres 2005. Das halte ich dann doch für reichlich überzogen.
Nee, da vertraue ich lieber Deinem Urteil und lasse den Film aus, anstatt für teures Geld die DVD zu importieren und es gleich wieder zu bereuen. Dein Urteil in Sachen Indie- und Art House-Film war bis jetzt ja immer sehr gut, also verzichte ich mal auf "Junebug".
sehr ernüchternd, egal ob der film jetzt vor sich hertümpelt oder herdümpelt *g*
und das "einlullen" jetzt eine positive konnotation besitzt, war mir auch neu! ein deutschland-release steht ja ohnehin noch nicht an. frage mich nur, warum der film bislang in den USA so gut angekommen ist.
lol
muss wohl an der Uhrzeit gelegen haben und das ich nicht mehr richtig geschlafen habe seit Freitag.
Ich war der festen Überzeugung es heißt "tümpelt"...*g*
Das Einlullen kannst du hier in der Tat positiv zuordnen, denn man lässt sich irgendwie gerne von der Atmosphäre einlullen. Ich bin fest davon überzeugt das Junebug ein Kinostart bekommt.
Als nächstes empfehle ich dir aber unbeding ME AND YOU AND EVERYONE WE KNOW !!! :-)
einlullen:
Es wird vom Eingellulten im Moment des Einlullens positiv empfunden. Später nicht mehr, da das Einlullen ihn per definitionem in trügerische Sicherheit wog, die sich im Nachhinein als negativ für ihn heraus stellt.
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