Donnerstag, Februar 23, 2006

"Brokeback Mountain" - Ein fotografiertes Gefühlsmassiv


Jetzt da der Film bald auch in Deutschland in's Kino kommt möchte ich nochmal ein wenig Werbung betreiben und setze meine Besprechung vom Januar auch in meinen Blog. Viel Spaß:

”Bottom line is... we're around each other an'... this thing, it grabs hold of us again... at the wrong place... at the wrong time... and we're dead.”

Ennis del Mar (Heath Ledger) und Jack Twist (Jake Gyllenhaal) arbeiten den Sommer über gemeinsam am „Brokeback Mountain“, um Schafe sicher ins Tal zu bringen. Aus dem schweigsamen Haudegen und dem aufgedrehten Rodeoreiter werden nach und nach enge Freunde. Je mehr Zeit sie zusammen verbringen, desto größer wird auch die Zuneigung zu einander. Schließlich ist es dann mehr als nur Freundschaft, was die beiden verbindet. Um so bedauerlicher das ihr gemeinsamer Sommer bald endet. Beide verlassen die Stadt in 2 unterschiedliche Richtungen. Sie bauen sich getrennt von einander ein neues Leben auf, schaffen sich ihr eigenes Idyll. Das ändert sich jedoch schlagartig als Ennis auf einmal eine Postkarte bekommt, dessen Absender ein gewisser Jack Twist ist.


Ang Lee schuf mit „Brokeback Mountain“ ein universelles Glanzstück des Melodrams. „Langfassung eines MarlboroSpotts“ ist also definitiv die falsche Bedeutung. Zu keiner Zeit hält uns Ang Lee den Spiegel vor und bettelt um mehr Toleranz. Er erzählt seine Geschichte und setzt auf die tragischen Momente des Films. Es steckt so viel Seele in diesem Film. Alleine die atemberaubende Inszenierung und Ang Lee’s Erzählweise sind schon die Wucht. Es ist ein wenig als ob man sich ein Fotoalbum anschaut und sich die Bilder dabei tief in den Verstand einbrennen. „Brokeback Mountain“ besticht vor allem durch seine enorme Ruhe, ist aber dennoch straff und lückenlos inszeniert, sodass 135 Minuten in windes Eile vorüber gehen. Man versucht die Eindrücke regelrecht einzufangen, weil man Angst hat sie zu verlieren. Schon in den Ersten Szenen besticht der Film zum Beispiel durch eine wirklich meisterliche Wolkenmalerei. Die Kulissen der Berge wuchten einen dann gänzlich aus den Latsche, erblick man sie in Verbindung mit dem göttlichen Score aus der Feder von Gustavo Santaolalla.

Schauspielerisch überzeugt der Cast bis in die letzte Nebenrolle. Heath Ledger ist schlicht und ergreifend großartig. Wenn ich mir einen Film mit Nicole Kidman anschaue, erwarte ich ein gewisses Maß an Perfektionismus. Doch die darstellerische Leistung von Heath Ledger traf mich wie ein Pfeil in die Brust. Es ist bei weitem nicht nur die Glaubhaftigkeit, die mich so faszinierte. Es sind vor allem seine Gestik und seine Mimik die das ganze so wundervoll unterstreichen, ohne das auch nur der kleinste Anflug von Overacting zu sehen ist oder das ganze lächerlich erscheint. Genau wie Jake Gyllenhaal konnte er hier endlich einmal zeigen was er drauf hat. Dieser wirkt nämlich nicht weniger glaubhaft. Selbst wenn man sich mit der Geschichte nicht zu 100% identifizieren kann, ist es doch einfach sich in beide Charaktere hineinzuversetzen. Das Thema bleibt eben universell: Ob es jetzt zwei Männer, zwei Frauen oder zwei verschiedene Religionen sind die hier auf einander treffen spielt keine Rolle. Wichtig ist nur das Thema der verbotenen Liebe, in die sich eigentlich jeder hineinversetzen kann.


Selbst Michelle Williams und Anne Hathaway wissen zu überzeigen. Hathaway bricht uns schließlich in einer der ergreifendsten Szenen das Genick, als deren Abgeklärtheit und ihre kühle Art bei einem Telefonat den Höhepunkt erreichen. Michelle Williams zeigt uns ein Feuerwerk an Emotionen. Das äußert sich zum einem in der Szene als die entdeckt das Jack Twist nicht nur der Fischer-Kumpel ihres Gatten ist.
Zum anderen als sich ihre jahrelange Wut Ennis gegenüber endlich entlädt.

AB HIER SPOILER!

In „Brokeback Mountain“ gibt es weder Gewinner, höchstens Verlierer. Der Weg den beide Cowboys einschlagen ist auch wohl kaum der Richtige. Jack heiratet seine Frau nur des Geldes wegen, Ennis seine nur um nicht „aufzufallen“. Richtige Liebe ist das nicht, und das ist beiden auch klar. Michelle Williams dürfte da das größte Opfer sein, schließlich hat sie 2 Kinder und keine alleinige Perspektive, was auch der Grund dafür sein dürfte das sie nicht gleich das Weite sucht und versucht ihrem Gatten an sich zu binden. Ebenso schläft auch Anne Hathaway das Gesicht ein, als sie bemerkt, dass sie gerade mit der Person telefoniert gegen die sie ihr ganzes Leben nie ankam. Ein zwiespältiges Ding. Nur die Liebe der beiden Männer ist im Film allgegenwärtig. Umso schlimmer ist es das beide nicht zu einander finden. Ellis hat die Erinnerungen der Kindheit nie überwunden. im Gegensatz zu Jack hat er zu spät den Stellenwert dieser Vereinigung erkannt. Viel zu spät: Als Jack mit dem Prostituierten symbolisch in die Dunkelheit eintaucht, läutet er den Anfang vom Ende ein. Es ist der Punkt an dem auch beim Zuschauer ein Teil der Hoffnung die man in beide gelegt hatte stirbt.

“Tell you what, we coulda had a good life together, fuckin' real good life! Had us a place of our own. But you didn't want it, Ennis! So what we got now is Brokeback Mountain! Everything's built on that, that's all we got boy, fuckin' all. So I hope you know that if you don't never know the rest! You count the damn few times we have been together in nearly twenty years and you measure the short fucking leash you keep me on, and then you ask me about Mexico and tell me you'll kill me for needing somethin' I don't hardly never get. You have no idea how bad it gets! I'm not you... I can't make it on a coupla high-altitude fucks once or twice a year! You are too much for me Ennis, son of a whoreson bitch... I wish I knew how to quit you.“


Ein letztes Mal sind wir an der Kulisse des Brokeback Mountain angekommen und spüren spätestens bei der Rückblende, dass es auch das letzte Mal bleiben wird. Der Berg ist die Ruhe die beide nie hatten, der einzige Ort an dem sie frei sein können. Jack musste sterben weil Ennis nicht zu ihm gestanden hat. Als ihm das bewusst wird, merkt er auch, dass selbst ein einziges Jahr in Gemeinsamkeit besser gewesen wäre als das hier. Wen Ang Lee bis hier noch nicht verzaubert hat, wird es spätestens jetzt sein: In der Szene im Haus von Jacks Eltern. Ellis betritt den Raum. Das Zimmer ist eine Ansammlung aus Momenten und Erinnerungen, sodass man nicht mal weiß ob es die Realität ist oder die Fiktion von Ennis del Mar, der so gerne geliebt hätte, es aber nicht geschafft hat seine eigenen Dämonen zu bezwingen. Er umklammert das Hemd, als ob er den Augenblick verkrampft am Weglaufen hindern wolle. Nun hat Ang Lee sie alle in der Hand. Ein Hypnotischer Moment dem sich beim besten Willen keiner entziehen kann. In uns brennt es so sehr, als hätten wir anstatt Ennis die Liebe unseres Lebens verloren.

Dear Ang Lee,
Thank You for touching my Heart so bad. I Swear.

SPOILER ENDE!

Mit “Brokeback Mountain” ist Ang Lee ein perfektes, zeitloses Melodram gelungen. Es besticht durch seine Darsteller und seinen Score genau so wie durch seine Seele und die magischen Bilder. Es gibt hier keine Emotionale Steigerung mehr. Alles ist gut wie es ist, liebevoll und ohne Zeigefinger. Ein Film der bei jeder weiteren Betrachtung nur gewinnt. „Brokeback Mountain“ will die Welt nicht verändern, er will nur die eigene Geschichte erzählen. Das er dadurch unbewusst den ein oder anderen wach rüttelt ist eher Nebeneffekt, oder eben ein Anfang. Selbst bei diesen Zeilen muss ich mich zurückhalten emotional nicht zu entgleisen. Ich freue mich schon sehr darauf, ein weiteres Mal in Ang Lee’s emotionalem Bilderbuch zublättern. Mit Leib und Seele sogar. 10/10

2 Kommentare:

Scarlettfan hat gesagt…

Der Text gefällt mir ganz gut, weil er offenbar von Herzen kommt. Man merkt beim Lesen, dass der Film Dir was bedeutet hat. Schön das.

Ich habe mir BBM doch noch angesehen - trotz gewisser Bedenken. Zu meiner Überraschung hat der Film mir sehr gut gefallen und konnte mich menschlich erreichen.

Ich lache übrigens immer mehr darüber, dass CRASH den Oscar in der Kategorie "Bester Film" bekommen hat. Muuahahaha - das ist wirklich der Witz des Jahres.

Lost in Imagination hat gesagt…

Ich danke dir! Habe gestern Abend in deinem Blog vorbei geschaut und konnte meinen Augen nicht trauen. Das stimmte mich wirklich sehr glücklich.

Ich persönlich mag CRASH ja wirklich. Aber er war schlicht und ergreifend nicht der beste Film unter den nominierten. Punkt. Und somit kann ich dein Lachen nur zu gut verstehen. MUHAHAHAHA-BACK. *g*